La cuisine française
"La cuisine française est...ähhh...est très célèbre." Dieser erkenntnisreiche Satz brachte mir bei
der mündlichen Abiturprüfung, nach meinen Kenntnissen über die französische Küche befragt, die ungeteilte Zustimmung des gesamten Lehrerkollegiums ein. Kennen gelernt hatte ich sie kurz vorher
auf unserer Abschlussfahrt in die Provence, wo wir im Kloster in Lumières (Heute ein Hotel) mit Halbpension untergebracht waren. Dort imponierten uns aber vor allem die auf dem Tisch in
strategisch wichtigen Punkten aufgestellten Rotweinflaschen.
Eine richtige Auseinandersetzung mit der französischen Küche fing aber erst später bei den zahlreichen Reisen nach Frankreich, die folgen sollten, an, wo es darum ging, sich Restaurants und
Speisen selber auszusuchen.
"Restaurant" ist ein weltweiter Begriff. Verbreitet haben sie sich insbesondere nach der Französischen Revolution in Paris, als der Adel floh und die zurückgebliebenen Köche mit der Gründung von Speisegaststätten gehobenen Niveaus einen neuen Unterhalt in einer bürgerlichen Gesellschaft finden konnten. Der Name kommt dabei von "restaurieren", also wiederherstellen, auffrischen, erneuern.
Angeblich ließ 1795 der Wirt Boulanger über der Tür seiner Gaststube in lateinischer Sprache den biblischen Vers: Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken - lat. restorabo - anbringen. So wurde sein Wirtshaus zum "Restaurant" und er selber zum "Restaurateur".
Bei "restaurieren" denkt man normalerweise an ein Kunstwerk oder Gebäude. Das ist gar nicht so abwegig, denn wie es hier dabei nicht darum geht, schnell mal was zu überpinseln, sondern man planvoll zu Werke gehen muss, den Bestand aufnimmt, ein Ziel setzt, vorbereitende Arbeiten trifft, auf die aufeinander abgestimmte einzelne Arbeitsschritte folgen bis es zum Abschluss und Rückblick auf das gelungene Werk kommt, ist es doch bei einem Essen, bei dem man es sich richtig gut gehen lassen will, ähnlich. Wie viel Hunger hat man, worauf hat man Appetit sind Grundfragen nach denen man nach einleitendem Aperitif dann eine mehrgängige, aufeinander abgestimmte Speisefolge mit zugehörigen Getränken zusammenstellt um beim Digestif wohlig auf die Mahlzeit zurück zu schauen.
Neben den "Restaurants" gibt es aber noch die "Brasseries", eigentlich Brauhäuser elsässischen Ursprungs, wo es etwas volkstümlicher zugeht oder die "Bistros", für ein schnelleres Essen wie der Name schon sagt, denn das Wort haben die Kosaken mitgebracht und bedeutet "schnell". Gut können sie allemal sein und mittags als "déjeuner" ist eine schnellere, kleinere Mahlzeit zwischen der Arbeit oder auf der Durchreise oft gerade richtig und zwei komplette Menus am Tag sind auf die Dauer auch etwas viel.
"Déjeuner" ist dabei das Gegenteil von "jeuner", fasten, also so zu sagen "entfasten" und das tut man mit mehreren Gängen ja wohl auch. Zu einem "déjeuner" steht aber nicht nur das "jeuner" in Gegensatz sondern eigentlich auch das "petit déjeuner", das Frühstück, mit Betonung auf "petit", klein. Im Hotel wird es oft auch in einem eigenen, einfachereren Raum, als dem festlicheren Restaurant serviert, etwa im Barraum.
Das klassische Frühstück besteht so nur aus einer Schale mit Milchkaffee, einem Stück Brot oder
einem Croissant ("Karlsbader Hörnchen" habe ich mal als Übersetzung gefunden), die gerne in den Kaffee getunkt werden, aber nur kurz und vorsichtig, damit das eingetunkte Stück nicht im Kaffee
oder auf dem Weg zum Mund abbricht, und etwas Butter und Marmelade. Folglich wird meist daher auch erst gar kein Teller gedeckt.
Auf dem Land habe ich auch schon erlebt, dass das restliche Brot vom Vorabend noch mal geröstet wurde, was mir persönlich lieber ist, als ein fettes Croissant. Also,
in der Tat nicht viel, so dass es mittags wirklich an der Zeit ist, mit dem Fasten endlich aufzuhören. Aber bei den sonstigen üppigen Essensgelegenheiten ist mir das gar nicht unlieb, zumal ich
morgens ohnehin wenig herunterbekomme und von daher eigentlich ein idealer Franzose bin.
Inzwischen findet man aber auch, wohl als Zugeständnis an ausländische Gäste, üppigerere Frühstücksangebote bis hin zu kompletten
Frühstückbuffets.
Im Hotel ist übrigens im Übernachtungspreis das Frühstück nicht inbegriffen, was ich auch schon mal gerne, etwa in Paris, nutze, um erst gar nicht im Hotel kärglich
zu frühstücken, sondern nach langem Ausschlafen in der Stadt in ein Café zu gehen und dort etwas Gehaltvolleres zu essen wie Spiegeleier oder lecker belegte Sandwichs, was dann ein komplettes
"Entfasten" in einem Rutsch ohne abermals nachfolgendes "déjeuner" oder quasi ein "Minibrunch" ist, der auf Französisch dann als "petit déjeuner/déjeuner" oder "petit déjeuner²" zu betitulieren
wäre, manchmal aber auch tatsächlich als "brunch" angeboten wird, aber doch halt nur ein etwas erweitertes Frühstück ist.
Der lukullische Höhepunkt liegt aber nicht nur dann, sondern überhaupt auf dem Abendessen, dem "dîner", das, zumal auf Reisen im Landesinneren, oft als einziger
Programmpunkt auch Hauptbeschäftigung und krönender Abschluss des Tages ist.
Bei der Lokalauswahl war als armer Student Hauptkriterium zunächst der Preis, der aber keinerlei Hindernis bedeutete, da sich auch zu günstigen Preisen eine gute Küche finden lässt.
"Da müsst ihr gehen, wo steht "Routier" mit einem "o", das aussieht wie ein Autoreifen, da essen auch die Lastwagenfahrer". Das war der kernige Tipp eines Freundes. In der Tat sind die Routiers (ursprünglich meint dies Straßenräuber, heute aber Kapitäne der Landstraße wie man im Deutschen so schön sagt), als gute, preiswerte Restaurants entlang der Hauptstraßen bekannt und verbreitet, die man meist noch vor dem Schild "Routier" mit dem Autoreifen-"o" an einer ungewöhnlich großen Ansammlung von Sattelschleppern und Schwerlastern erkennt, zwischen denen sich ein PKW ganz klein und unscheinbar ausnimmt.
Drinnen geht es dann meist urig und betriebsam zu, eine flotte Bedienung meistert für ein volles Haus die komplette Menuabfolge inklusive Getränken, eventuell entlastet durch ein Selbstbedienungsbuffet und kooperierende Gäste, die sich auch schon mal selber einen Nachschub an Brot oder Rotwein holen. Ich habe nie den Konsum an Rotwein kontrolliert und nehme an, dass er sich in Grenzen hält oder der Beifahrer einspringt, jedenfalls geht es nach dem Essen oft direkt wieder auf den Bock und es ist schon ein imposantes Schauspiel, wenn ein LKW nach dem anderen dann unter Wolken von Staub und Auspuff wieder losfährt. Also, schon eine ganz eigene urige Atmosphäre, die man durchaus auch mal erleben sollte.
Nur, was macht man abseits der "routes nationales" auf den kleinen Nebenstrecken, die ich bevorzuge? Hier gibt es zum Glück keinen Schwerlastverkehr aber damit auch keine Routiers. Indikator für gutes, preiswertes Essen sind hier mittags in der Woche analog zu den Lastern Ansammlungen vNon kleinen Lieferwagen und Kastenwagen von Handwerkern aus der Region, die hier ihren festen Mittagstisch mit einer "plat du jour", dem Tagesgericht haben. Hier geht es oft so geschäftig wie bei den Routiers zu und ebenso oft haben diese festen Gäste einen eigenen Raum oder Abteil für sich, während für die anderen Gäste daneben klassisch eingedeckt ist.
Und abends und am Wochenende? Dann hilft nur suchen, gucken, Speisekarten studieren und vergleichen
und auch ein gutes Näschen oder einfach Glück haben.
Natürlich kann man auch Führer benutzen oder gar nach Michelin-Sternen gehen, aber jeder hat seine eigenen Akzente und die eigene Entdeckung eines guten Restaurants, das auf zufriedene Gäste
statt auf Sterne abzielt, freut mich zumindest doch noch immer am meisten und darum geht es hier auch.
Also steht das Studium der Speisekarte an erster Stelle. Auch wenn gerade keine Essenszeit ist, ist dies immer wieder erhebend ("hmm, lecker" oder "die spinnen") und erweitert den Horizont bzw.
lässt einen die Marktlage besser einschätzen und wenn man in der Gegend bleibt, kann man, wenn man fündig geworden ist, dies auch schon mal für eine andere Gelegenheit abspeichern.
Wie oben schon hergeleitet nimmt der Franzose - Frauen selbstredend oder unverfänglicher ausgedrückt: selbstverständlich mit eingeschlossen - seine Mahlzeiten in mehreren Gängen zu sich. Diese kann man natürlich à la carte einzeln zusammenstellen, aber persönlich (und preislich) bevorzuge ich komplette Menüangebote. Also, erster Blick: haben die Menus, denn nicht jedes Restaurant bietet Menus an, dann: wie viel Gänge, was bieten die und was kostet das?
Dabei muss ein teureres Essen nicht unbedingt besser sein, als ein billigereres. Auch würde ich ein
Essen in Frankreich auf alle Fälle als kostengünstiger als eines in Deutschland bezeichnen, insbesondere wenn man dies mit einem eingängigen Tellergericht oder selbst Suppe, Hauptgang, Nachtisch
als üblichem deutschen Standard mit einem französisches Standard-Menu vergleicht, bei dem weitaus mehr geboten wird, auch wenn der Preis über einem deutschen Essen liegen mag.
Wenn man dann die Lebensmittelpreise beim Einkauf mit denen eines Menus vergleicht, so stellt sich dessen Preis auch wieder als recht günstig dar.
Klassisch für eine normale Mahlzeit sind eigentlich vier Gänge: Vorspeise, Hauptgang, Käse und
Dessert. Hier fängt es aber an: oftmals findet man auch nur Käse oder Dessert. Etwa für mittags (s.o.) gibt es auch abgespeckte Versionen wie ein "formule" mit "2 plats", d.h. ein Hauptgang mit
einer Vorspeise oder einem Dessert.
Für den gourmandhaften Gourmet, auf gemeinem deutsch "verfressene Leckermaul", sind dann schon Ausweitungen des Menus interessanter mit einem "amuse gueule", oder vornehmer ausgedrückt "amuse
bouche", vorweg, zweiter Vorspeisen und wenn dann noch zwei Hauptgänge wie ein Fisch- und ein Fleischgang folgen, wird spätestens zwischendurch dann auch noch ein "eau de vie pure" etwa in Form
eines "trou normand" (normannisches Loch, was ist das denn schon wieder: ein Calvados) oder mit einem, oft alkoholisierten, Sorbet fällig. Zum Abschluss gehört dann auch noch ein "café", der dann
wieder nach einem "pousse-café", einem Cognac oder anderem Digestif, der diesen Kaffee "herunterdrückt" verlangt, während man sich bereits zu Beginn mit einem Aperitif, serviert mit Knabbergebäck
oder Oliven, auf die Mahlzeit vorbereitet hat...
Damit sind wir schon mitten bei den Getränken, die auch zum Essen gehören. Ein einfaches "plattes"
Wasser - "eau plate" - wird ebenso selbstverständlich und unbegrenzt kostenlos geliefert wie das Brot. Wem nach Besserem ist, stehen natürlich auch diverse Mineralwässer mit oder ohne "gaz"
bereit, an denen Frankreich auch sehr reich ist. Bier gibt es natürlich auch, am besten aber nur, um sich erst einmal den Staub herunter zu spülen, denn wir sind in Frankreich und zum Essen
gehört zum Trinken einfach ein Wein.
Welchen aber? Manchmal ist er schon in Mengen von einem Viertel bis beliebig mit im Menu enthalten. Dies ist dann natürlich der lokale Hauswein, den uns schon auf
der Schule immerhin unser frankophiler Direktor als stets den besten empfohlen hat. Natürlich wird einem ein Önologe vorschwärmen, was es alles an tollen Weinen gibt und kann darüber ganze Bücher
füllen. Ich gebe zu, ich bin hier eher ein Banause, halte mich an die Empfehlung unseres Direktors und trinke lieber, zumal in sommerlicher Wärme des Midi, einfachen, gut gekühlten Rosé aus dem
"pichet" (offener Krug) oder die "Réserve du patron" oder wie immer sich der Hauswein nennt, aber dafür auch gerne mehrere (was angeblich typisch deutsch ist), denn ein Abend ist lang und auf dem
Land ist nach dem Abendessen ohnehin sonst nichts mehr los.
Es gibt aber auch Gäste (und das sind nicht unbedingt die Routiers s.o.), denen ist eine halbe Flasche zu zweit an einem Abend noch zu viel; nun ja, jeder muss
selber wissen, was er möchte.
Mit der Speisekarte sollte man dann auch die Getränkekarte studieren, so z. B. ob es einen offenen Wein oder preislich angemessene (und wunderbar mundende) Hausweine gibt oder nur hochpreisige Weine angeboten werden, die über das Preisniveau des Menus hinausschießen, wie auch der, der Wert auf besondere Tropfen legt, natürlich genauso schauen sollte, ob zu einem genehmen Essen auch der richtige Spitzenwein für ihn dabei ist.
In einem der eigentlich eher biederen bürgerlichen Logis-de-France Hotels, bei dessen Auswahl ich nicht eigens nach der Weinkarte
gesehen hatte, habe ich dann zur Überraschung auch einmal erlebt, dass die Weinkarte, die sich vom Umfang eigentlich auch eher als ein Weinbuch herausstelle, angeführt wurde von einem Wein mit
dem stolzen Preis von 1.800 - in Worten: eintausendachthundert - Euro pro Flasche. Gut, das war eine Ausnahme, die meisten Weine lagen so um die 500 Euro und ich habe es mir bei der Auswahl sehr
einfach gemacht und den billigsten mit 30 Euro bestellt und es mal auch nur bei einer Flasche bewenden lassen.
Was bei der
Auswahl natürlich auch neben der Karte mitspielt ist die Lage und das Ambiente, das das Lokal verströmt. So bin ich auch schon eingekehrt, obwohl ich das mittags eigentlich nicht wollte, einfach
weil das Restaurant zu einladend war oder habe bedauert nicht einkehren zu können, da gerade keine Essenszeit war.
In der Tat ist der Blick ins Restaurant schon einladend genug, wenn alle Tische eingedeckt sind, wobei auf der eigentlichen Tischdecke, weiß oder farbig, nochmals eine Oberdecke zur Schonung
liegt, oftmals quer. Dazu findet man die Serviette in immer wieder anderen phantasievollen Formen gefaltet auf dem Teller. Zwei Gläser pro Platz und natürlich das Besteck vervollständigen das
Ganze, eventuell noch durch eine Blume oder anderen Tischschmuck ergänzt. Wenn das Ganze dann noch auf einer schattigen Terrasse mit Ausblick auf eine sonnige Landschaft gedeckt ist, ja dann
nichts wie hin...
Nun muss man so aber nicht nur das passende Restaurant finden, sondern dies auch zur passenden Zeit, insbesondere auf dem Land wie aber auch durchaus in Städten. Mittags wird ab 12 Uhr gegessen, abends meist um ½ Acht und wenn man viel später kommt, dann kann man auch Pech haben und die Küche ist geschlossen, wenn nicht ohnehin Ruhetag ("fermeture hebdomadaire", wie es so schön heißt) oder keine Saison ist. (Vorsicht, so kann man beispielsweise im Sommer in Wintersportgebieten verhungern und obdachlos bleiben, weil ganze Ortschaften geschlossen sind.)
Gut, wir haben das passende Restaurant zur passenden Zeit gefunden, also hinein, aber nicht auf
einen Platz losstürmen, sondern erst mal die Bedienung abwarten und nach einem Platz für zwei oder wie viel Personen auch immer fragen, worauf man meist verschiedene Angebote erhält ("Là ou là ou
là ") oder, das ist das Tollste, wie selbstverständlich die Antwort "Où vous voulez", "Wo Sie möchten", aber eben nicht ohne vorher zu fragen.
Vor einigen Jahren mussten Zonen für Raucher und Nichtraucher eingerichtet werden, so dass dieses Kriterium bei der Platzzuweisung miteinfloss. Aber auch nur eine Zeit lang, dann geriet dies
wieder in Vergessenheit. Schon kurz nach der Einführung hatte ich in einer Bar einen Franzosen mit Baskenmütze und Zigarette im Mundwinkel breitbeinig auf einem Stuhl sitzend bewundern können,
über den das Schild "Nonfumeur" in blauem Dunst prangte...
Im Zuge der Zeit wurde dann 2008 wiederum das Rauchen generell verboten und dies wird nun, wie auch in anderen südlichen Ländern, strikt eingehalten.
Spannend wird die Platzeinnahme in den klassisch eingerichteten Brasserien mit langen Sitzbänken entlang den Wänden mit vorgestellten kleinen quadratischen Tischen in Zentimeterabstand. Hier muss in eigenem Zeremoniell der Kellner den Tisch erst einmal vorrücken oder quasi wie eine Tür öffnen, damit man auf der Bank Platz nehmen kann und ihn dann wieder vorschieben, so dass man eigentlich durch die Einrichtung gefangen ist. Nun für ein gutes Essen ist man das gerne, aber wenn mal doch mal raus muss wird's schwierig.
Dazu kommt, dass die knappen Abmessungen der Tischchen in krassem Gegensatz dazu stehen, was auf ihm platziert werden muss. Wenn sie nur eingedeckt sind, sind sie eigentlich schon mehr als voll. Aber es muss ja noch mehr Platz finden: ein Körbchen mit Brot, Getränke, sagen wir je eine Karaffe mit Wasser und Wein, eventuell noch Pfeffer- und Salzstreuer, Öl und Essig sowie irgendwelche Schälchen mit Saucen, Beilagen oder sonst was, was das auf dem Teller angerichtete Essen ergänzt, von einem Tischschmuck zu schweigen.
In größeren oder "besseren" Restaurants gibt's dann den "maître d'hôtel" als Empfangschef, der gegebenenfalls auch die Bestellung aufnimmt. Auch kann man eigens einen Kassierer finden, der hinter seiner Kasse thront, und nichts anders tut, als den Kellnern die Rechnungen auszustellen, die das kassierte Geld dann wieder an diesen abliefern.
Ja, die Bestellung. Wir sind in Frankreich und die Speisekarte ist Französisch und daher je nach Grad der persönlichen Französischkenntnisse nur mehr oder weniger verständlich. Gut, es gibt in größeren Städten oder touristischen Zentren zunehmend auch englisch- (igitt) oder deutschsprachige Karten, aber solche Restaurants sind mir meist etwas suspekt, die Übersetzung ist oft holprig und ungenau (von ungewolltem Humor zu schweigen) und eine phantasievolle französische Namensgebung ist einfach etwas ganz anderes als die beste Übersetzung, wie auch ein Menu zu 135 Francs auch noch etwas anderes war, als nun das gleiche Menu zu 20 Euro. Wenn auch der Name nur Schall und Rauch ist, klingt der französische Schall für den Frankreichamateur (das Wort Frankreichfan wollen wir hier dann auch lieber vermeiden) eben lieblicher und warum ist / isst man schließlich in Frankreich? Es kann gelegentlich aber auch passieren, dass es überhaupt keine Speisekarte gibt und der Wirt mündlich runterrasselt, was er zu bieten hat, ähnlich wie bei der Bestellung des Desserts, wie wir noch sehen werden.
Aber noch nicht einmal das muss nicht sein, so habe ich auch schon, etwa in einem kleinen korsischen Dorf, wo ich noch nicht mal sicher war, ob es sich hier überhaupt um ein Restaurant handelte oder ein anderes Mal bei einem späten Eintreffen in ein Lokal auf die Frage, ob es (noch) was zu essen gäbe erlebt, dass ohne Antwort einfach schon mal Brot und Wein auf den Tisch gestellt wurde, um dann ein Überraschungsmenu mit unbekanntem Verlauf serviert zu bekommen.
Beim Menu hat man normalerweise die Auswahl zwischen verschiedenen Angeboten pro Gang, die unter
Umständen zur weiteren Differenzierung zum Teil wieder mit einem "supplément" (Zuschlag) belegt sind, was das Ganze noch interessanter macht.
In Paris kannte ich ein Restaurant mit Dutzenden von Auswahlmöglichkeiten und verschiedenen "suppléments", so dass man Tage, ja Wochen damit verbringen konnte, sich ein und dasselbe Menu in immer
wieder anderen Variationen zusammenzustellen.
Wie der eine Gang zum nächsten passt, ist wieder eine andere Frage, aber egal, was man sich inklusive Wein zusammenstellt, der höfliche Kellner wird einen immer wieder gern mit einem "très bien
choisi" (sehr gut gewählt) loben. So habe ich einmal zur Vorspeise Austern bestellt, gefolgt von einem "choucroute", weil mir die sonstige Auswahl nicht so zusagte und bekam dies prompt mit einem
"très bien choisi" quittiert. Den Dessert bestellt man übrigens üblicherweise erst dann, wenn er an der Reihe ist, sofern er nicht eigens angerichtet werden muss.
Auch der Vergleich des Angebotes der einzelnen Gänge in Menus verschiedener Preisklassen kann dem wirtschaftlich denkenden Gast die Auswahl erleichtern, etwa, indem er eine Auswahl vermeidet, die auch im "billigeren" Menu schon enthalten ist und daher lieber etwas "teureres" nimmt. Aber nehmen wir dies nur als Variante am Rande zur Kenntnis.
Interessanter kann es dann schon sein, die Auswahl mit seinem Partner in gütlichem Einverständnis abzustimmen, um untereinander durch Austausch die Speisevielfalt nochmals zu
vergrößern.
Ein simples Beispiel wäre, statt zwei "steaks" (Steaks) mit "pommes frites" (Pommes Frites, also so schwer ist französisch doch nun auch wieder nicht) oder mit "haricots" (Bohnen) "un steak avec
des pommes frites et un steak avec des haricots" zu bestellen und dann die Beilage hälftig auszutauschen, wobei einem auch noch frei bleibt, untereinander nochmals die "steaks" nach Größe,
Fettrand oder anderen Gesichtspunkten zu wechseln.
Der Austausch hilft natürlich besonders auch dann weiter, wenn der eine etwas bekommen hat, was er nun absolut nicht mag. Das kann natürlich auch zu Zwist führen, daher der wichtige Hinweis oben
auf die "gütliche Einigung", wobei solcherlei Austausch natürlich auch nur etwas für Personen ist, die sich sehr gut kennen, also eher auf der Goldenen-Hochzeits-Reise als bei einer Einladung zu
einem ersten Essen.
Ich habe mir mal (wen's interessiert im "La Vidourle" in le Grau du Roi) einen "marmite du pêcheur", was doch eigentlich ganz gut klingt und mir perfekt über die Lippen kam, bestellt, wobei hier die Übersetzung "Kochtopf des Fischers" genauso wenig weiterhilft, wie der Hinweis, dass es sich um "fruits de mer" (wer hätte das gedacht: Meeresfrüchte) handelt. Aus einer weißen Soße schauten mir die abgeschnittenen rosa Enden von irgendwelchen Tintenfischarmen mit Miniatursaugnäpfen entgegen, wie auch glatte, schlauchförmige andere Segmente derartigen Getiers, kurzum das war alles nichts für mich, der ich noch lange nicht alles esse wie eben meine Frau. Mit deren Gangfolge hatte ich keine Probleme und nahm daher unverzüglich Verhandlungen zu einem Komplettaustausch auf. Das gestaltete sich doch recht schwierig, da meine Frau doch tatsächlich zu essen gedachte, was sie sich auch bestellt hatte. Mit viel Überredungskunst kam eine gütliche Einigung nur unter der Bedingung zu Stande, dass ich erst mal meinen "marmite" wenigstens probieren sollte. Da aller Verhandlungsspielraum ausgeschöpft war, stimmte ich notgedrungen zu und probierte ganz vorsichtig ganz wenig, um danach den Teller unverzüglich weiterschieben zu können. Doch halt, es war ein wunderbarer Geschmack, der mich noch mal ein Pröbchen nachfassen ließ. Die dritte Probe brachte dann das Ergebnis: Ich verzichtete auf den gerade erst ausgehandelten Austausch und aß mit Appetit meinen "marmite" genüsslich auf, allerdings habe ich mir danach aber auch nie wieder mehr einen bestellt. Aber Fazit ist doch: Probieren geht über Studieren und dabei ist ein experimentierfreudiger Partner wie meine Frau von Vorteil.
Aber auch wenn es bei einem Menu nur eine
festgelegte Folge gibt, so will oder sollte man auch doch wissen, um was es sich handelt. Fragen helfen bringt meist nicht viel, denn entweder sind die Antworten so vage, dass sie nicht
weiterhelfen ("C'est de la viande", das ist Fleisch oder "c'est du poisson", das ist Fisch, immerhin kein "poison", nämlich Gift, wobei gilt "poisson sans boisson c'est poison", Fisch ohne
Getränk ist Gift oder wie wir sagen "Fisch muss schwimmen") oder die Antworten sind so detailliert, dass man nichts versteht, wobei einmal eine Kellnerin die sogenannte "mongolfière" (s.u.) schön
beschrieben und nicht vergessen hatte, auf die vielen Auszeichnungen hinzuweisen, die der Küchenchef dafür schon bei zahlreichen Gelegenheiten erhalten hatte.
Also muss ansonsten dann doch ein Wörterbuch ran, auch wenn man sich entblößen muss, um darin nachzuschlagen und es gibt eigens spezielle Wörterbücher, in denen man alles findet, nur eben mit der
Ausnahme dessen, was gerade auf der Speisekarte steht.
"Crudité", was haben wir bei den Vorspeisen daran herumgerätselt, als wir in einem ordinären
Wörterbuch dafür nur die Übersetzung "Rohheiten" fanden. Was würde man mit uns anstellen? Beleidigungen an den Kopf werfen oder gar handgreiflich werden?
Nichts derart Grobes, es entpuppte sich als eine Platte mit Rohkost, verschiedenartiges, geraspeltes Gemüse, eine ganz typische Vorspeise, häufig an Markttagen, wie ich argwöhne, wenn man dort
sieht, in welchen Mengen dies von Händlern produziert wird, die ein dafür geeignetes Hobelbrett oder ähnliches Gerät wie das achte Weltwunder unter unaufhörlichem Schauraspeln über unaufhörlich
anwachsenden Cruditè-Bergen anpreisen.
Oder "Jésus cru", "roher Jesus"!. Mein Gott, was mochte das wohl sein? Hier hilft weder Wörterbuch noch Evangelium weiter, also frisch gewagt: für mich entpuppte sich dies als Volltreffer, es
wurde eine der wunderbaren luftgetrockneten Mettwürste serviert, wie ich sie so sehr liebe, ebenso wie die herrlichen luftgetrockneten Schinken aus Bayonne oder der Auvergne.
Unter "jambon de Paris" hatte ich mir dann die Krönung vorgestellt, schließlich ist Paris ja die Hauptstadt, wenn auch nicht der Welt, so doch zumindest von Frankreich, aber bekam nur eine Scheibe ordinären gekochten Schinkens mit Fettrand. Nun ja, eine kleine Schlappe muss man hin und wieder auch einstecken aber sonstige "charcuterie" (Wurstwaren) haben dies wieder mehr als wett gemacht.
Zu Studentenzeiten erfreuten mich noch Vorspeisen wie "tomate", eine einfache aufgeschnittene Tomate
oder "oeuf dur mayonnaise", ein gekochtes Ei mit Mayonnaise. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, solch einfache Speisen in letzten Jahren noch mal auf einer Karte gesehen zu haben. Oder
ob ich das überlesen habe?
Ansonsten gibt es gerne etwa diverse Salate, oft unter phantasievollen Namen, die wiederum nichts aussagen, oder Kunstwerke wie Pasteten, Terrinen oder farciertes Gemüse vom "traiteur", dem
"Behandler, Zubereiter" (von Fleisch und Gemüse zu ergänzen), eine typisch französische Bezeichnung, die das Deutsche nicht kennt. Den "traiteur" könnte man dem Konditor gleichsetzen, wenn man
den Metzger mit dem Bäcker vergleicht.
Der Metzger spielt eine tragende Rolle bei
den fleischlichen Hauptgerichten, etwa mit einem "pièce du boucher", einem Stück vom Metzger, d.h. nicht als Teil seines Körpers, sondern lediglich von ihm zugeschnitten, oder einem "pavé du
charolais", ein "Pflasterstein vom Charolais", natürlich zu ergänzen "-Rind". Auch nicht, dass es sich hier um verschluckten Mageninhalt à la böser Wolf handelt, sondern um ein
pflastersteingroßes Steak, außen schön knusprig, innen saftig rot ("A point, s'il vous plaît"). Wenn ich tagsüber an den weißen Rindern auf der Weide vorbeifahre, fließt mir schon für das
Abendessen das Wasser im Munde zusammen...
Ein "steak" ist ansonsten schon so eine Sache, man versteht zwar "Steak", weiß aber nicht, was man bekommt, denn zwischen einem "steak" und einem "steak" können Welten liegen, wobei auch ein
ordinäres "steak frites", ein flacher, ausladend großer, kurz heiß angebratener Fleischlappen mit Fritten hervorragend schmecken kann, aber eben nur kann, nicht muss.
Fritten sind ansonsten keine besondere Beilage in einem Land, wo es "gratins" (überbackene Aufläufe) oder andere Köstlichkeiten gibt, wobei es auch durchaus üblich ist, nur Gemüse wie etwa ein
"ratatouille" (provenzalisches Gemüseragout) und nicht noch eigens eine Kartoffelbeilage zu servieren, auch wenn das einem Deutschen unverzichtbar erscheint, denn die Kartoffel ist für den
Franzosen eben auch nur ein Gemüse neben anderen.
Schließlich gibt es ja auch noch nach Belieben viel Brot mit frischer, knackiger Kruste (hoffen wir's zumindest) und weichem, schwammartigem Innerem, womit sich Saucen herrlich auftunken lassen und man sich nicht zu scheuen braucht, den Teller damit quasi schon vorzuspülen.
Zurück zu den Steaks gehört hier zur Bestellung dann auch die Angabe des Garungsgrades, so "bleu"
oder saignant" für blutig, was dann aber auch richtig blutig ist und vom Kellner mit Freude aufgenommen wird, "à point", "auf dem Punkt" für etwas mehr durch oder "medium", was der Kellner auch
noch zustimmend zur Kenntnis nimmt oder "bien cuit" für "durchgebraten", was den Kellner mit Schauder sogar dazu veranlassen mag, davon abzuraten, da dies doch wirklich zu schade etwa für das
schöne Filet wäre.
Und so gibt es -nur als ein Beispiel der Vielfalt französischer Küche- neben dem ordinären "steak", bei dem man manchmal den Eindruck hat, dass eine halbe Kuh in dünne Scheiben geschnitten wird,
noch zahlreiche Varianten der Fleischzerlegung zum Kurzbraten oder Grillen, so das "bifteck, côte (à l'os), entrecôte, rumpsteck, merlan, hampe, bavette, onglet, rond de tranche, faux-filet" und
eben das "filet".
Nun werden Tiere nicht nur wegen der Steaks geschlachtet, nein das wäre zu schade und das konnte man sich auch früher nicht leisten:
wurde eine ganze Sau geschlachtet, wurde sie natürlich auch ganz gegessen. Das gilt für alle Tiere und dazu gehören dann auch Schnauze, Hirn, Füße, Euter, Hoden und sämtliche aber wirklich
sämtliche Innereien, nicht nur Leber und Nieren, nein auch Mägen und Gedärm. Und so hat die französische Küche dafür Zubereitungen entwickelt, um alles zu verarbeiten.
So gibt es etwa "paques pieds", gefüllte Bocksfüßchen, die stunden- und tagelang gekocht werden, wie auch eben Mägen und Gedärm, die als "tripes" auf den Tisch kommen, eventuell in eine Wurst
"andouillette" gefüllt. Auch das ist französische Spezialität und lecker...für den, der's mag.
So habe ich meine Frau, die wie gesagt eigentlich alles ißt,
dennoch einmal streiken sehen und eben bei "tripes", die sie zwar im vollen Bewusstsein darum, dass es sich um Innereien bestellt hat, aber sie dann doch nicht mochte, was mir auch unter dem
Motto "das Auge isst mit" nur zu verständlich war.
In einem kleinen Restaurant auf dem Lande mit Handwerkerklientel bekamen wir dann auch einmal im "menu du jour" nach einem vorzüglichen Vorspeisenbuffet schicksalshafterweise "tripes" serviert.
Überall sah man vergnügte Gäste die das mit Freude und Appetit aßen, dem gegenüber wir wohl mit zurückhaltendem Picken der noch annehmbarsten Stücke dem Wirt aufgefallen sind, der dann nachfragte
und uns dann alternativ einen Schinken in Madeira serviert hat.
Schließlich und dennoch haben wir beide doch auch schon "tripes" mit größtem Appetit verzehrt und zwar als "Montgolfière" in Richelieu. Die Übersetzung "Heißluftballon" hilft hier auch nicht
weiter. Es handelte sich um ein Töpfchen mit einem Art Ragout von "andouillette", der eben aus "tripes" zubereiteten Wurst, in würziger Soße, wobei das Töpfchen nach oben hin mit einem Teig
abgedeckt war, der bei einem Backprozess sich nach oben wie ein Ballon aufblies und mit dem Töpfchen darunter als Korb tatsächlich an eine "montgolfière" erinnerte. Nun, die besondere Zubereitung
machte es uns genießbar und damit auch genug der "tripes".
In einem Land, das an zwei Meeren liegt,
spielt natürlich der Fisch und "fruits de mer" (Meeresfrüchte) in allen Formen eine besondere Rolle und bereichert die Speisekarte bei Vor-, Zwischen- und Hauptspeisen.
Oft ist dabei handwerkliches Geschick gefragt, das nötige Handwerkszeug, wie Nussknacker, Nadeln, spezielle Picker, um dem letzten Hinterbeinchen einer "crustacé" (Krustentier) die letzte Faser
zu entnehmen, werden dazu geliefert. Nur darf man nicht zu fein sein, kräftig Hand anzulegen, wie beim Pulen von "crevettes" (Garnelen). Zur Reinigung der Finger wird ein Stück Zitrone und ein
Wasserschälchen oder ein Reinigungstuch gereicht.
Eine "caille" (Wachtel) kommt als komplettes Vögelchen auf den Teller mitsamt Kopf, aber immerhin ohne Federn. So muss man sich bei "volaille" (Geflügel) oder auch Fleisch nicht schämen, einen
Knochen in die Hand zu nehmen, um ihn genüsslich -das ist das Wichtige- ab zu nagen. So habe ich es erlebt, auch wenn ich es eben noch in einem Urlaubsknigge anders gelesen habe. Ansonsten
zelebriert ein Kellner auch gerne das Schauspiel, einen Fisch formvollendet zu zerlegen und zu entgräten.
An der Küste, aber etwa auch in Paris, findet man Restaurants eigens mit einem separaten Stand am Eingang mit liebevoll auf Eis und mit Zitronen drapierten Meeresfrüchten, wo die Teller dann auch angerichtet werden.
Es gibt klassische Gerichte in Frankreich, die überall streng nach gleichem Rezept gekocht werden und daher überall zumindest ähnlich schmecken. Wie in Sprache und Kultur, zu der ja auch das Essen gehört, wird daneben aber auch eine regionale Küche mit regionalen Zutaten, Spezialitäten und Rezepten gepflegt, wie etwa Wildgerichte in den Ardennen oder "Salzlämmer", Fleisch von Lämmern, die auf hin und wieder von Salzwasser überfluteten beziehungsweise auf von kräftigen Winden geradezu "gesalzenen" Wiesen der Bretagne weiden. Ansonsten glänzen die Küsten natürlich mit Fisch und Meeresfrüchten, das Périgord hat mit "foie gras", Enten- und Gänseleber, wie auch Trüffel seinen eigenen Ruf wie die Provence, wo sich zu den dortigen Trüffeln noch aromatische Kräuter und Oliven gesellen oder die sonstigen vielfältigen Landschaften mit ihren jeweiligen "menus du terroir".
Einen besonderen Höhepunkt regionaler Küche habe ich einmal im Languedoc in einem Lokal erlebt, das sich im Vorspann der Speisekarte expressis
verbis zur eben regionalen, traditionellen Küche bekannte und daher ein Känguruh-Steak anbot. Es war wohl der Zähigkeit des Fleisches nach zu urteilen bereits ein älteres Tier, vielleicht das
letzte seiner inzwischen wohl auch ausgestorbenen Art im Languedoc, und so ist konsequenterweise dieses Restaurant inzwischen auch geschlossen.
Ein eigenes Kapitel ist der Käsegang, der einfach zum klassischen Menu gehört und an dem sich noch
mal die Qualität des Restaurants zeigt. Manchmal wird man so nach durchaus gutem Essen auch schon mal mit einem portioniert verpacktem Stück Camembert oder Roquefort recht billig
abgespeist.
Netter ist dann schon, wenn der Käse zwei, drei verschiede Sorten, fertig auf einem Teller, mit etwas Garnierung serviert wird.
Gute alte Tradition ist aber immer noch das
Käsebrett mit vielfältigen Sorten, das zur Selbstbedienung von Tisch zu Tisch wandert, dort stehen bleibt und erst weitergereicht wird, wenn man genug genommen hat. Gegen Ende der Essenszeit
bietet es dann aber auch oft einen weniger appetitlichen Anblick ähnlich einem Schlachtfeld.
Etwas vornehmer ist daher, wenn die Bedienung mit Käsebrett oder Käsewagen umhergeht, die Sorten erklärt und dann nach Wunsch etwas abschneidet. Wie beim Weintipp sollte man auch hier stets die
regionalen Sorten bevorzugen.
Eine Alternative ist ein extra zubereiteter Käsegang, wie etwa ein "munster flambé au marc de Gewurztraminer" oder derartiges.
Leichter und frischer, etwa mittags, ist "fromage blanc", eine Art Sahnequark mit Zucker.
Dies kommt dann schon einem Dessert nahe, den
es - s.o.- je nachdem noch gibt. Als Auftakt zu diesem letzten Akt wird oft erst der Tisch mit einem Silberstab oder Tischbesen von allen Krümeln der vorangegangenen Gänge befreit.
Einfache alte Tradition ist eine Auswahl an Obst, Standard ist ein "mousse au chocolat, crème caramel" oder ähnliches, empfehlenswert "pâtisserie, bavarois, charlotte" und was es sonstiges noch
gibt. "Ile flottante" ist dabei wieder ein Fall, wo das Wörterbuch nicht weiterhilft, denn wer weiß, dass sich hinter der "schwimmenden Insel" ein Kegel von Eierschnee verbirgt, der auf
Vanillesauce schwimmt.
Auch nach üppigem Mahl geht ein "glace" (Eis) immer noch, hier wiederum sind die "sorbets" (Fruchteis) wieder gesondert zu empfehlen, etwa in Form einer "orange givrée" (gefrorene, ausgehöhlte
und wieder mit Orangenfruchteis gefüllte Orange).
Wie gesagt, wird der Dessert üblicherweise erst bestellt, wenn er dran ist. Oft wird, wie auch beim Käse, erst noch gefragt, ob man überhaupt einen möchte (klar doch wenn er sowieso zum Menü
gehört) um dann mündlich eine Litanei runter zu leiern, was man alles hat:
"J'ai crème brûlée, mousse au chocolat, salade de fruit, tarte aux pommes, tarte au citron, profiterolles, baba au rhum, glace..." -tief Luft holen und weiter geht's mit den einzelnen Eissorten.
Hier heißt es dann besonders für den Ausländer höllisch aufpassen, dass er erstens alles akustisch versteht, zweitens weiß, worum es sich handelt und drittens in der Lage ist, das Gewünschte auch
in verständlichem Französisch zu bestellen.
Mit der Abfolge der einzelnen Gänge ist aber
noch ein delikates Problem verbunden: das des Besteckwechsels. Meist ist nicht das Besteck für das komplette Menu eingedeckt, sondern nur ein Satz. Was passiert nun damit, wenn dies benutzt und
der erste Gang abgeräumt ist? Wenn Fisch oder ein Steak im Spiel ist, ist dies einfach, dafür gibt es eigens ein Fischbesteck oder ein Steakmesser.
Aber sonst? Legt man das Besteck auf den Teller, zumal wenn man denkt, dass es sich um ein "besseres" Haus handelt, kann es passieren, dass der Kellner es dort wieder herunter nimmt und,
vielleicht mit verstecktem Vorwurf, wieder erneut auf den Tisch legt. Denkt man, man sei in einem "einfachereren" Haus, und lässt das Besteck auf dem Tisch liegen, kann es ebenso, vielleicht auch
mit gleichem verstecktem Vorwurf, passieren, dass der Kellner es aufnimmt und mit dem Teller abräumt. Ich habe bisher keine Regel oder Anhaltspunkt finden können und auch ein französischer Freund
war hier ratlos. So nehme es als zusätzlichen Reiz eines Vabanquespiels hin.
Den Kellner nennt man in Frankreich "garçon" (Junge), so hat es mir mein Vater schon beigebracht. Ich habe das indessen noch nie über die Lippen gebracht, wie auch, wenn ein klassisches
Prachtexemplar vor einem steht, wie etwa in den "Deux Magots", ein gestandenes Mannsbild, vielleicht noch mit gallischem Schnäuzer, im schwarzen Anzug, weißem Hemd und gestärkter, blendend weißer
Schürze von den Hüften bis hinab auf die blank polierten Schuhspitzen. Da kann man doch nicht "Junge" zu sagen. Und wozu auch den Kellner rufen? Der aufmerksame Kellner kommt von alleine und
sieht, wenn er gebraucht wird, allenfalls kann man mal die Hand erheben.
"Der" Kellner kann natürlich auch eine Frau sein (die ich natürlich ebenso wenig "garçon" wie "fille" (Mädchen) rufe). Dies ist vielfach in Familienbetrieben der Fall, wo oft zwei oder drei Generationen arbeiten und "Madame", vielleicht von anzulernendem Nachwuchs unterstützt, serviert. In einem Fall hatte ich auch den Eindruck, dass Madame gleichzeitig auch kochte, denn zwischen den einzelnen Serviergängen blieb sie deutlich lange fort und kam jedes Mal mit einem Gericht wieder, einmal zusätzlich mit frisch verbundenem Finger, in den sie sich wohl gerade bei der Essenszubereitung geschnitten hatte.
Aber natürlich auch ohne Kochen ist das Arbeitsvolumen der Bedienung enorm und einer eigenen Würdigung wert. Es fängt, wie wir schon wissen, mit dem Empfang und Zuweisung eines Platzes an.
Gegebenenfalls muss die Eindeckung ergänzt oder reduziert werden. Die Speisekarten müssen ausgeteilt werden, eventuell ein Aperitif oder sonstiges Getränk aufgenommen und serviert
werden.
Dann muss -nach Wunsch unter fachlicher Beratung- die Bestellung des Essens mit zugehörigen Getränken aufgenommen, gegebenenfalls mit einem "très bien choisi" kommentiert und die Speisekarten
wieder abgeräumt werden.
Dann wird üblicherweise Brot, das vielleicht erst noch geschnitten werden muss, und Wasser gebracht, gefolgt vom Wein, der, wenn nicht offen, auch erst entkorkt werden muss.
Je nach Niveau wird dann eine Probe kredenzt, dann weiter je nach Niveau der Wein aus- und insbesondere während der ganzen Mahlzeit nachgeschenkt, was seinerseits ständige Aufmerksamkeit und
fortwährenden Arbeitseinsatz bedeutet. Das gilt natürlich auch für den Nachschub an anderen Getränken sowie Brot.
Das Kerngeschäft ist dann natürlich das Auf- und Abtragen der einzelnen Gänge mit der jeweiligen Lösung der Besteckfrage. Dazwischen kommen eventuelle Sonderwünsche des Gastes, wie es sich auch
gehört, zwischendurch zu fragen, ob alles recht sei.
Vor dem Zeremoniell der Dessertbefragung muss erst der Tisch gesäubert werden (s.o.). Es ist also schon ein enormes Pensum zu erledigen, zumal man ja normalerweise auch nicht der einzige Gast
ist, sondern unter Umständen "die Bude" voll ist und der Profi dennoch alles zur Zufriedenheit der Gäste im Griff hat.
Zur Abrundung gehört dann noch, wie wir inzwischen wissen, ein "café" (d.h. auf gut deutsch ein Espresso) und gegebenenfalls der "digestif" oder "pousse-café".
Letztendlich ist der Zeitpunkt da, nach der
"addition" (Addition) zu verlangen. Dies ist dem Gastronomen offenbar ein sehr peinlicher Akt, denn wenn sie nicht in einer Schachtel oder Lederhülle schamhaft versteckt wird, ist sie zumindest
diskret zusammen gefaltet.
Sie gilt, egal wie viel Parteien zusammensaßen/-aßen, für den ganzen Tisch und es ist Sache der Gäste auseinander zu klamüsern, was jeder zu zahlen hat oder wer was übernehmen will. Das kann dann
wieder ganz amüsant sein, wenn jemand das Geld nicht passend klein hat und etwa auf den nächsten wartet, um dann wieder Scheine tauschen zu können oder mit dem Trinkgeld zu jonglieren, bis alles
geregelt ist und man den Tisch dann auch verlassen kann ohne den Kellner abzuwarten.
Es sei denn, man zahlt mit Kreditkarte, was eben auch sehr verbreitet ist, wie schon die meist zahlreichen Embleme der einzelnen Kreditgesellschaften am Eingang verkünden. Dann kommt der Kellner
mit einem Maschinchen an den Tisch, gibt den Betrag ein und es folgen Momente spannenden Abwartens, ob eine Verbindung zustande kommt, die dann im Erfolgsfall mit einem erlösenden Rattern und
Auswurf des zu unterschreibenden Belegs beendet werden. Für den Fall, dass es mal nicht klappt, ist es natürlich nicht falsch auch immer genügend Bargeld bei sich zu haben.
Zum Schluss der Mahlzeit sei dann auch zur Abrundung ein Wort zu den Toiletten gestattet. Natürlich gibt es in jedem französischen
Lokal auch eine Toilette. Die Betonung liegt auf "eine", denn gar nicht so selten, selbst in guten Häusern, gibt es tatsächlich nur ein einziges WC für Männlein und Weiblein. Das muss im Übrigen
der Sauberkeit keinen Abbruch tun. Die nächste Differenzierung wären zwei Kabinen, aber mit einem gemeinsamen Vorraum mit Waschbecken.
Eine weitere Pikanterie ist die Lage der Toilette. Manchmal ist sie direkt ohne Vorraum vom Gastraum erschlossen, sozusagen mit einer Mauer abgetrennt in den Gastraum hineingebaut, manchmal liegt
sie über lange Flure oder abenteuerliche Treppen erschlossen Gott weiß wo. Hoffen wir, dass alles beleuchtet ist, denn sonst fängt man die Suche nach einem Lichtschalter an, den es unter
Umständen gar nicht gibt, denn ich habe auch schon erlebt, dass das Licht über das Schloss bei Verriegelung angeschaltet wurde. Vor etlichen Jahren in Paris sogar mit dem Effekt, dass man dabei
gleichzeitig einen elektrischen Schlag bekam, aber eben nur einen kleinen, denn damals lag dort die Spannung noch bei 110 Volt.
Abschließend möchte ich noch anfügen, dass es angeblich analog zum "Michelin" auch einen Toiletten-Führer geben soll mit 1 Stern als ortsempfohlen, 2 Sternen für einen Umweg und 3 Sternen für
eine Reise wert...
Ja und worüber unterhält sich ein Franzose beim Essen? Natürlich über das Essen! Was er wann und wo gegessen hat, wohin er demnächst gehen wird, was er empfehlen kann und so weiter. So kann ich mir auch nicht verkneifen, von einzelnen Restaurants zu erzählen, wobei ich mich aber auf den Umkreis von "La Pagèze", einem Weingut im "La Clape" nahe Narbonne, beschränken will, auf dem wir jahrelang unseren Urlaub verbracht haben. "La Pagèze" liegt einsam, ist aber von einem Reigen wunderbarster Restaurants umgeben.
Im nächsten "Ort", eigentlich nur einige Hütten plus Urlaubswohnungen und Campingplatz, "Cabanes de
Fleury" an der Audemündung entdeckte ich schon am ersten Abend "Lou Cabanaïre", Café, Bar, Restaurant, damals noch eher ein halb ausgebauter Unterstand mit einem wunderbaren weiträumigen Hof mit
Tischen, Stühlen, Bäumen und einem großen schmiedeeisernen Tor zur Aude hin, "face au globe", wie eigens in einer Aufschrift erwähnt, was heißt: gegenüber einem an Masten im Flussbett fest
installierten Netz, das über Ketten zum Fischen bis an die Wasserkante hochgezogen wird wobei das Fischen dann darin besteht, dass der Fischer im Netz in einem kleinen Bötchen liegt, aus dem er
Fische nur noch mit der Hand einsammeln muss. Das am Rande.
Die andere Hofseite bildete ein L-förmiges altes gehöftartiges Gebäude, wo auch Roger Marc und seine Mutter wohnte. Roger Marc war der Wirt und sprach uns direkt auf
französisch gefärbten Deutsch an, was in mir zunächst eine gewisse Reserve auslöste. Nun, seine Mutter war Deutsche und hatte nach dem Krieg einen französischen Zwangsarbeiter geheiratet und war
hierhin gezogen und Roger Marcs Deutsch war keine Anbiederung an die Gäste, sondern -obwohl Franzose- doch seine Muttersprache im wörtlichen Sinn.
Die Küche war ordentlich, aber nicht der eigentliche Glanzpunkt. Nein es war die offene, lockere Atmosphäre und der familiäre, persönliche Stil des Ganzen. Den
ganzen Tag über war geöffnet und so konnte man auch auf ein Getränk, ein Eis oder einen Snack zwischendurch hereinkommen. Die Bedienung rekrutierte sich aus jungen Leuten, die jährlich zur
Saison, denn nur dann war geöffnet, angeheuert wurden.
Höhepunkte waren musikalische Abende, wo Künstler mit Musik und Gesang auftraten, so ein okzitanischer Sänger, der mir auch mal ein Bild abkaufte, oder das "Trio
Valentin", das seine Abende stets mit Brassens "les copains d'abord" begann und endete, so dass dies für uns der Urlaubshit schlechthin wurde. Dazu saß man dann an warmen Abenden eben draußen im
weitläufigen Hof mit seinem besonderen Ambiente, das uns hierhin immer wiederkehren ließ, selbst wenn wir später den Urlaub anderswo verbrachten .
Der nächste und eigentliche Hauptort war "Fleury", auf katalanisch "Pérignan", wie in neuerlicher
Anerkennung der regionalen Sprache auf der Ortstafel gegenüber auf der linken Straßenseite zu lesen. Hier gab es zunächst die übliche "ortsansässige" Dorfkneipe mit angeschlossenem Restaurant. Zu
erreichen war diese von der Schankstube aus durch einen langen dunklen Gang, vorbei an Küche und Toiletten, hinter dem sich ein überdimensionierter Raum auftat, nur mit spärlichen Fenstern an
einer Schmalseite versehen, sDo dass zur Beleuchtung etliche Lampen über den tiefen Raum verteilt waren, wobei aber nur diejenigen brannten, unter denen auch Gäste saßen.
Ein ständiger Gast war ein alter, verwitweter Fischer mit einem steifen Bein, das stets ausgestreckt war und obwohl schon längst "retraité" (Rentner) ebenso stets
mit blauem Arbeitsanzug und Kappe. Er war hier einfach, wahrscheinlich zu günstigem Pauschalpreis, in Pension. Das handgeschriebene Menu mit bodenständiger Küche wechselte täglich, der Preis
inklusive einer Flasche (!) Rotwein, die im Bedarfsfall umgehend gegen eine neue ausgetauscht wurde, war niedrig und so nannten wir das Restaurant einfach "Das Billige". Die Attraktion war hier
das authentische dörflich, bürgerlich, biedere Ambiente wie in längst vergangenen Tagen.
Der Sohn betrieb in dem zur Gemeinde Fleury gehörenden Urlaubsort "St. Pierre Plage", wie der Name
schon sagt an der Küste, ein Restaurant für Urlauber, vornehmlich Franzosen, das auch einen Namen trug: "Les Mouettes" (Die Schwalben). Auch hier wurde wie beim Vater ein preiswertes Menu
inklusive Flasche Rotwein, hier aber gekühlt aus der Truhe, angeboten. Das Lokal war beliebt und jeden Abend besetzt, so dass man rechtzeitig reservieren musste, wobei sich der "patron" (Wirt)
erst einmal minutenlang in Skizzen seiner Tischaufstellung vertiefte, um noch etwas zu finden, was durchaus auf Tage hinaus nicht gewiss war.
Hier war es auch, wo sich die heranwachsende Tochter von Freunden, mit denen wir da waren, zur Erheiterung des Kellners ein Kindermenu und ein Bier bestellte. "Très bien
choisi"!
In Fleury gab es aber auch einen besonderen lukullischen Höhepunkt: die "Tulipe Noir", geführt von
einem Meisterkoch, einer schlanken, imposanten Erscheinung im weißen Küchendress, überhöht mit einer hochaufragenden Mütze. Frau und Tochter bedienten, aber der Chef ließ es sich nicht nehmen,
sich stets bei den Gästen sehen zu lassen, sich nach deren Befinden zu erkundigen und vor allem den Dessert selbst zu servieren.
Empfehlenswert waren die "Hors d'oeuvre variés" (verschiedene Vorspeisen) mit einer stattlichen Anzahl diverser Schüsseln, deren Inhalt einem schon das Wasser im
Munde zusammenlaufen ließ. Als Hauptgang gab es etwa ein Kaninchen oder, besonders spektakulär, ein Fisch in einer dicken Salzkruste gegart, die das natürliche Aroma und Feuchte bewahrte und die
in feierlichem Zeremoniell entfernt wurde, um danach den dampfenden Fisch zerlegt zu bekommen.
Der Höhepunkt war aber der Dessert, wenn der Maître eben höchstpersönlich mit einem Karren am Tisch vorgefahren kam mit einem so reichen Dargebot unterschiedlichster
Köstlichkeiten, dass einem die Auswahl zur Qual werden konnte, weshalb ich mir immer einfach ein "assortiment" zusammenstellen ließ und das eigentlich noch mal ein Menu für sich
darstellte.
Einige Kilometer weiter in Armissan gab es das "La Clape", wo es uns erst nach zwei Anläufen zu
speisen gelang. Beim ersten Mal saßen wir bereits am Tisch und mussten beim Studium der Speisekarte feststellen, dass "la maison n'accepte pas de cartes de crédit", man also -ganz ungewöhnlich-
keine Kreditkarten annahm. Bei Schecks ist das öfter der Fall, natürlich dann auch hier, und Bargeld hatten wir nicht ausreichend dabei (s. obige Warnung), so dass wir wieder unverrichtet
abziehen mussten.
Das nächste Mal hatten wir genügend Geld, aber la maison war geschlossen - die berühmte "fermeture hebdomadaire".
Beim dritten Mal klappte es dann endlich und es war, als wolle das Haus die bisherigen Bemühungen wieder gutmachen:
Zuerst wurde ein riesiger Topf Muschelsuppe, der von Tisch zu Tisch ging, aufgetragen und erst mal bei uns stehen gelassen. Das war verhängnisvoll: Die Suppe war
einfach ein Gedicht und die Verführung des vor uns stehenden Topfes war einfach zu groß, um nicht noch mal einen ordentlichen Nachschlag zu nehmen.
Mit dem folgenden Fischgang waren wir dann eigentlich schon gesättigt, aber es folgte noch ein Fleischgang, der Käse, der sich als zu viel erwies, obwohl wir doch
nur ein kleines bisschen davon genommen hatten, der Dessert - nun ja ein Eis geht ja eigentlich immer noch - und schließlich der Kaffee. Und hier setzte dann auch das Erbarmen des Wirtes ein: Zum
Kaffe wurde als "pousse-café" ein kleines Holzfässchen mit Cognac, das ähnlich dem Käsebrett von Tisch zu Tisch weitergegeben wurde, zur freien Bedienung inklusive Nachschlag gleich mitserviert.
Das war die passende, wohltuende Abrundung des opulenten Mahls.
Auf der Rückkehr von Ausflügen haben wir abends auch gerne in Sérignan zum Essen Halt gemacht. Hier stand kein besonderes Restaurant im Vordergrund, sondern ein wunderschöner, mit dicken alten Platanen bestandener Platz, an dem mehrere Restaurants lagen, jeweils mit einer ordentlichen, bürgerlich-bodenständigen Küche, die wir je nach aktuellem Angebot und Lust und Laune im Wechsel besuchten. Ein Restaurant zeichnete sich dadurch aus, das es nicht direkt am Platz lag, sondern von diesem durch die örtliche Durchgangsstraße mit ihrem Verkehr getrennt war. Um aber der Nachfrage nach Außenrestauration, und das Schöne war ja eben das Speisen im Freien unter den Platanen, nach zu kommen hatte man auf dem Platz selber auch ein Areal mit Tischen, die zu Bedienen der Kellner jedes Mal und für jede Kleinigkeit über die Straße musste, und wie wir gesehen haben, gibt es für die Bedienung ja viel zu tun und zu laufen. So hatte man einen eigenen Zebrastreifen angelegt, der vom Platz direkt in das Restaurant mit seiner Bar am Eingang führte, ein Bild, das einfach zu schön war und hier deshalb erwähnt werden muss.
Léspignan suchten wir wieder wegen seiner lukullischen Höhepunkte auf. Zunächst gab es hier die
"Auberge", eigentlich ein Patrizierhaus provenzalischen Stils, mit einem Garten mit Tischen und Stühlen unter Platanen, in denen Ketten von Lampen hingen. Diese Atmosphäre bezauberte bereits,
zumal wenn es im Lauf der Mahlzeit zu dunkeln begann und was gibt es herrlicheres als an einem warmen Sommerabend draußen an einen festlich eingedeckten Tisch bei einer (dies bitte nicht als Zahl
wörtlich nehmen) Flasche Rosé, sorgsam im Kühler gehortet, zu sitzen und das zum Glück interaktive Spektakel eines Diners über sich ergehen zu lassen.
Das Menu war zwar immer das gleiche, aber eben auch immer gleich gut und wert, es im Laufe eines mehrwöchigen Urlaubs auch noch ein zweites oder drittes Mal zu
verspeisen. Die Ausgabe der Speisekarten war eigentlich nur eine Formsache, denn wir wussten genauso gut wie die Bedienung, meist die Chefin höchstpersönlich, was wir essen
wollten.
Als wir hier dann einmal dennoch ein anderes, teureres Menu bestellt hatten, mussten wir enttäuscht
feststellen, dass dies nicht an unser Standartmenu herankam. Hierin gab es zwei Vorspeisen, die erste mit Tomaten, süß eingelegten Zwiebel und Sardinen mit Minze, die zweite mit in "mille
feuilles" (tausend Blättern = Blätterteig) gebackenem Käse, begleitet mit fettgebackenen Bällchen aus einem Püree von Kartoffelbrei und Käse. Währenddessen war dann auch längst die zweite Flasche
Rosé fällig.
Es folgte ein mit Cognac flambiertes Entrecôte mit Gemüse, dann ging nach gutem alten Brauch eine Käseplatte umher und dann folgte der Nachtisch mit einem festen
Ritus:
Obwohl wir alle, auch die Bedienung wussten, was wir nehmen würden, stellten wir uns unwissend, ließen uns die oben dargelegte Aufzählung der einzelnen Desserts,
angeführt von "crème catalane" vortragen, um uns dann, nach einigem gespielten Bedenken, letztendlich für die "crêpes Isabelle" zu entscheiden und das oder die waren gut:
Die Crêpes waren zusammengerollt, mit Vanilleeis gefüllt, mit einer Schokoladensoße überzogen und dies wurde dann am Tisch mit hochprozentigem "eau de vie"
übergossen und flambiert. Vive la vie!
Bei unserem letzen Besuch sagte uns die "patronne", dass wir heute Glück gehabt hätten, denn ab morgen müsse sie das Restaurant wegen einer Operation für einige Tage
geschlossen halten. Als wir dann im nächsten Jahr wiederkamen, gab es das Restaurant nicht mehr und die Auberge stand wie nackt in einem fast kahl geschlagenen Garten ohne Tisch und Stühle. Auch
so kann das Leben spielen...
Zum Glück kann Léspignan noch mit einem zweiten lukullischen Höhepunkt aufwarten: dem
"Château", auf einem Hügel gegenüber der Auberge. Das Gebäude war zwar stattlich, der Name "Château" traf dennoch weniger auf die Architektur als vielmehr auf die Küche zu. Hier wurde immer
wieder die Speisekarte geändert, so dass es immer wieder etwas Neues, aber garantiert Erlesenes in phantasievoller Dekoration zu kosten gab.
Auf alle Fälle sollte man hier vorher reservieren, aber nicht, weil es zu voll wäre, sondern im Gegenteil. Einmal mussten wir erleben, dass gerade an dem Abend, an
dem wir vor der Tür standen geschlossen war, da außerhalb ein Essen arrangiert wurde. Ein anderes Mal fanden wir trotz bestätigter Reservierung die Tür verschlossen vor und erst nachdem wir
einige Minuten ratlos herumgestanden haben kam der Kellner, um aufzuschließen. Vielleicht wäre der Laden geschlossen geblieben, hätte man nicht gewusst, dass Gäste kommen. Hatte man nicht
reserviert und es war geöffnet, legte der Kellner seine Stirn in sorgenvolle Falten, schaute sich im -vielleicht bis auf einen Tisch- leeren Lokal um, sah im vermutlich ebenso leeren
Reservierungsbuch nach, um einem dann doch erleichtert einen Platz (là ou là) zu zuweisen. Nun gut, Léspignan ist ein verschlafenes Nest aber durchaus einen Umweg ins Chateau wert und wir haben
hier auch erlebt, dass dort größere Gesellschaften anzutreffen waren.
So geneigter Leser, nun auf in ein Restaurant und "bon appétit"!
2008